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Barbara Hast – Porzellan – eine Hommage

Am 4. Juni starb unsere Freundin und Kollegin Barbara Hast nach quälender Krankheit zuhause im Kreis ihrer Liebsten.
Wir sind sehr traurig und werden dich, Barbara, und deine Arbeiten nicht vergessen.
Gute Reise.


Hier der Artikel, in dem Schnuppe von Gwinner in Ihrem Blog zur europäischen Handwerks- und Designkultur an Barbara Hast und ihr Schaffen erinnert:

Zeit still stehen lassen. Zaghaft berühren. Staunen! Die feinen Porzellandinge der Keramik-Künstlerin Barbara Hast. Schimmernd Naturweiss, etwas heller als Elfenbein, etwas dichter als Eierschale. Kostbare Zeugen hingebungsvoller Gestaltungsfreude. Fantasievolle Metamorphosen natürlicher Formen, die diese eigensinnigen Kreationen aus weißem Gold vage inspirierten. Deren unsichtbaren Wurzeln und Fühler in alle Richtungen von Zeit, Natur- und Kulturgeschichte greifen um ihre faszinierende Präsenz im Hier und Jetzt zu entfalten. Sie bleiben und erinnern an Barbara Hast, die am 4. Juni 2022 von quälender Krankheit erlöst, friedlich eingeschlafen ist.

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Barbara Hast | Foto: SvGwinner 2012

Behutsamkeit,Vorsicht und ein sehr spezieller, subtiler Humor zeichnete Barbaras Charakter und auch ihre Schöpfungen aus, in denen sich die Achtsamkeit und Ästhetik spiegelt, nach der sie verlangte. Bemerkenswert ihr Talent, sich in die Zeit fallen zu lassen um ein kleines oder großes Werk zu vollenden, ohne Unterscheidung in der Priorisierung. Ihr Begriff von Vollkommenheit, der sich mit gleichbleibender Passion auf einen Deckelabschluss, die Silhouette eines Gefässkörpers oder die Setzung eines Schlickerdekors richtete, war allumfassend. Die einzigartige Qualität ihrer Arbeiten unter all denen ihrer ZeitgenossInnen im Feld der Keramik- und Porzellangestaltung überzeugt.

Verblüffend ist der Variantenreichtum innerhalb ihrer Kleinserien, ebenso wie die Reihe ihrer wunderbaren Unikate, die sehr anschaulich machen, welche Themen die Künstlerin inspirierten und in ihrer passionierten Betrachtung und Umsetzung einzigartig von ihr interpretiert wurden.

Eine geradezu surreale Atmosphäre schafft sie mit ihrer Teekannenfamilie, deren Protagonistinnen sie „Mütterchen“, „Tante“, „Junior“ und “Stiefmutter“ nannte. Sie treten in Begleitung offensichtlich verwandter, dickbäuchiger und dünnwandiger Schälchen auf, die auf ein bis mehreren Beinchen oder Tentakeln daher kommen, wie die Kannen selbst. Als wesenhafte Charaktere entführen sie mit ihrem Gefolge aus zauberhaften Dosen, Schalen und Bechern die Fantasie des Betrachters in ein Teehaus inmitten eines verwunschenen Parks oder auch an die lange Tafel von Märzhase, Schuhmacher und Haselmaus. Dem Augenschmaus stellt sich das haptische Abenteuer zur Seite, das es zu erleben gibt wenn man die Gefäße in Händen hält, um sie noch genauer zu betrachten, ein Getränk daraus zu geniessen oder einen kleinen Feldblumenstrauss darin zurecht zu zupfen. Die Gesellschaft all dieser Porzellane erinnert an die unendliche Kostbarkeit von Zeit und ausserordentlicher Momente.

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Barbara Hast, Annemone 2009 | Foto: B. Hast

In anderen Werken folgte Barbara Hast eigensinnigen Unterwasserwelt-Fantasien. Abstrakte Seeanemonen, Korallengebilde und Muschelgehäuse aus Porzellan, die nur mehr Augenschmaus sein möchten und keinerlei Nutzung nahe legen. In ihnen lebte Barbara ihre ganze Detailverliebtheit mit ausdauernder Gestaltungsfreude aus.

Monochrome Reliefdekore bekleiden die Flächen und Wölbungen der Objekte – mal im Stil der Renaissance, mal dekorativ folkloristisch rankend. Mal wogend, mal strömend in nicht enden wollenden Tupfenstrukturen. Die Muster sind mit sorgfältig abgemixten Porzellanschlicker und ruhigster Hand aufgetragen. Reine Meditation, die viel Raum für Gedankenspaziergänge lässt. In ihrem späteren Werk verabschiedet die Künstlerin sich zunehmend von der Lieblichkeit einiger Formen und Motive und wendet sich mehr der direkten Auseinandersetzung mit Strukturen der Natur, des Wachsens und Werdens, zu. So gibt eins das andere, wird als Idee geboren, entwickelt und umgesetzt, um dann wieder selbst zum Ausgangspunkt für die nächste Schöpfung zu werden, im ständigen Strom der Assoziationen.

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Barbara Hast, Buchsbaumfrüchte 2008 | Foto: SvGwinner

Barbara Hast (*1963) gehörte keiner Schule an, sie verfolgte ihren ganz eigenen Weg in ihrem ganz eigenen Tempo. Nach einer Keramiklehre bei Regina Fleischhut in Bederkesa arbeitete sie zehn Jahre lang in verschiedenen Werkstätten und machte sich 1996 in Neuendorf/ Schleswig Holstein selbständig. Auf den regionalen Töpfermärkten zeigte sie ihre Steinzeuggeschirre, deren historisierende Poesie schon im Ansatz darauf verwies, was noch kommen sollte.

Ich werde nie vergessen, als ich vor fast zwanzig Jahren, auf einem verregneten Kellinghusener Töpfermarkt, das erste Mal den ersten, wenigen Porzellanbechern und Barbara Hast selbst begegnete. Sofort war ich von dieser zurückhaltenden Person und ihren so hingebungsvoll gemachten Objekten eingenommen – und wollte natürlich mehr davon. Doch Barbara steckte damals noch tief in der Experimentierphase mit dem Porzellan und war eher beunruhigt, über die begeisterte Resonanz auf ihre ersten Versuche. Sie brauchte Zeit. Über die Jahre entwickelte sie sich dann als Autodidaktin zu einer meisterhaften Expertin, die ihr Medium Porzellan drehend, modellierend, schnitzend und malend genial herausforderte und beherrschte. Von hier aus wuchsen ihre eigenen Ansprüche an ihre Werke und ihren Aktionsradius.

Barbaras Erfindung der poetischen „Glöckchendosen“, aus zart eingefärbter Porzelanmasse gedreht, aussen UND innen gleichermaßen sorgsam dekoriert, läuteten ihre weitreichenden Erfolge ein. Mit diesen, und ihren zauberhaften Deckeldosen und Gefäßen, begeisterte sie die LeserInnen von Wohn & Design-Magazinen und das breite Publikum. Ihre ausschweifenden Interpretationen fantasievoller Garten- und Unterwasserwelten lockten auch Connaisseure, Sammler und Kuratoren.

Zuletzt verlies die Künstlerin immer häufiger den Kosmos der handlichen, akribisch dekorierten und wesenhaften Objekte, um sich selbstbewusst mit facettenreichen Volumen skulpturale Dimensionen zu erobern. Asymmetrische Gefäßformen aus rein weißem Porzellan überzog sie modellierend und schnitzend mit, von pflanzlichen Zellstrukturen inspirierten, Netzreliefs. Diese umtanzen als lebendiges Schattenspiel spannungsvoll die Oberflächen bewegter Hohlkörper, die mal aus Stein gehauen, mal aus Schaum geboren zu sein scheinen. Das Licht tritt hier als ihr unverzichtbare Verbündeter gestaltend an ihre Seite und wird zum unentbehrlichen Teil dieser faszinierenden Objekte.

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Barbara Hast, Detail 2016 Foto: Christoph Kremtz

Mit ihren wunderbaren Serien und ausdrucksstarken Unikaten wurde Barbara Hast deutschlandweit zu den renommiertesten Ausstellungen und Fachmessen eingeladen, darunter die Jahresmesse im MK&G Hamburg, die GRASSIMESSE Leipzig, die Keramikmärkte in Diessen am Ammersee und in Oldenburg, darüber hinaus Saint-Sulpice Céramique in Paris und mehrere Jahre Ceramic Art London – um nur eine Auswahl zu nennen. Selbstredend gab es auch Einzelausstellungen, wie im Keramikmuseum Staufen (2015) oder im Schloss Reinbek (2016) sowie ungezählte Gruppenausstellungen in Galerien und Museen, zuletzt im Keramikzentrum Tiendschuur Tegelen (2020) in den Niederlanden. Im Mai 2007 vergab die GEDOK ihren FormART Klaus Oschmann Preis an Barbara Hast und Susanne Koch, die sich als künstlerische Weggefährtinnen in einem Projekt mit Nushu, einer 500 Jahre alten Geheimschrift chinesischer Frauen, beschäftigten.

In der ihr eigenen Bescheidenheit und Entschlossenheit verfolgte Barbara Hast konsequent ihren Weg. Sie dehnte ihre Zeit, lies jede Idee geduldig reifen und realisierte ihre Geschöpfe mit ihrem eigenen Qualitätsanspruch, der das große Ganze auch im allerkleinsten Detail erkannte und würdigte. Ihre eigene Zeitrechnung verlieh ihr Zauberkräfte die in ihren Werken weiterwirken.

© Schnuppe von Gwinner 2022

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